Thursday, March 1, 2012

Halber Regen

Als ich das erste halbe Jahr in Schottland auf einer Insel der Inneren Hebriden lebte, habe ich in einem Wohnwagen gehaust. Gehaust. Anders kann man das nicht bezeichnen. Aber es war unsagbar toll, gemütlich und sowas von down to earth. Was ich nun an diesem Wohnwagen am meisten vermisse, ist der Regen, der - wie so oft in Schottland - laut und beständig aufs Dach trommelte. Tagelang. Nächtelang.

Dann wohnte ich in Edinburgh und obwohl die Häuser und Wohnungen in Schottland alles andere als dicht, warm und trocken sind, fehlte mir der Regen. Oder zumindest das Geräusch der Tropfen auf dem Wohnwagendach. Es regnete und ich hörte es einfach nicht mehr. Halber Regen sozusagen.

Nun wohnen wir in Wien. Da regnet es noch weniger, was ich wirklich oft bedaure. Ja und Ihr dürft mich jetzt wirklich ganz blöd anschauen. Und ich sag's nochmal extra für Euch: Ich liebe den Regen, das Geräusch, die Stimmung, den Geruch danach, das Gefühl der Reinheit, das er nach sich zieht.
Dank der Tatsache, dass das Haus, in dem wir wohnen, sich um einen rechteckigen, gepflasterten Innenhof schlängelt, erleben wir den Regen in Wien jedoch wohl tausendmal schöner, als andere. Denn hier hört man es tropfen und plätschern, kann unterscheiden ob es nieselt, oder schüttet, gerade anfängt oder gleich aufhört. An solchen Abenden brauche ich keine Musik mehr. Da reiße ich einfach das Fenster auf, lege mich ins Bett und lausche. Und träume.

Nun entsteht im 2. Wiener Gemeindebezirk, in Leopoldstadt, just in diesen Tagen, Wochen und Monaten das Haus, in das wir in ca 18 Monaten einziehen werden. Das Wohnprojekt Wien.
Dort wird es eine Hausgemeinschaft geben, wie es sie in keinem Gebäude in Wien gibt, was nicht von einer Gruppe Gleichgesinnter gemeinsam bewohnt und belebt wird. Obendrein wird das Haus weitestgehend ökologisch gebaut, dennoch "konservativ", also keine Lehmhütte, kein Haus aus Stroh. Wir werden alle Wohneinheiten bewohnen, die wir größtenteils selbst mitgeplant und mitgestaltet haben. Dazu kommen Gemeinschaftsflächen wie Sauna, Bibliothek, Werkstätten, Kinderspielraum und Küche.

Eine fernwärmebeheizte Fußbodenheizung wird uns die bisherigen horrenden Gas- und Thermenwartungskosten ersetzen. Dank der Fenster an drei verschiedenen Außenwänden, kommen wir in den Genuss einer Querlüftung, was uns bei den wenig luftvollen Sommertagen erfreuen wird. Vorraussichtlich wird uns KEIN Schimmel an der Küchenwand hinaufwachsen und KEIN Dachboden über uns wird uns KEINE mühsam und kostenspielig erstandene Heizungswärme stehlen. Ein Lift wird mich samt Einkauf und Kind nicht nur in den 3. sondern sogar bis in den 5. Stock fahren. Mein Fahrrad wird nicht mehr im Vorraum in unserer Wohnung in besagtem 3. Stock, sondern im dafür vorgesehenen, entsprechend eingerichteten und abgesperrten Fahrradraum umgeben gleichgesinnter Drahtesel schlafen. Der Wäscheständer wird statt im Wohnzimmer monströs prahlend auf dem Balkon ausharren, auf dem ich im Sommer auch als Mutter die lauen Abende weintrinkend genießen kann. Apropos Mutter - Herr Klein wird zum Spielen mit Freunden nur mehr über die Etagen flitzen müssen.

Es wird wunderbar. Ganz wunderbar.
Aber der Regen. Der wird mir fehlen.

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